Hören statt sehen
Als Ergänzung zu meiner Kritik an der Online-Petitions-Webseite des Bundestages habe ich ein paar Audio-Aufzeichnungen mit Screenreadern gemacht, die unten als MP3 verlinkt sind. Damit kann man hören, wie sich die Webseite für einen Blinden anhört. Es ist jedem Gestalter von Webseiten zu empfehlen, entsprechendes auszuprobieren.
Zur Anwendung kamen dabei sowohl der Open Source Screenreader NVDA als auch zum Vergleich bei zwei Seiten der proprietäre JAWS. Es ist deutlich hörbar, dass die e-Petitions-Webseite des Bundestages mit einem Screenreader kaum benutzbar ist. Blinde haben es schon schwer, das Web zu nutzen. Hier wird es ihnen aber besonders schwer bis unmöglich gemacht, das Angebot zu nutzen. Zur Erinnerung: Barrierefreiheit war eine Anforderung bei der Ausschreibung des Projektes!
Die MP3s:
- Die Startseite und Petitionsübersicht mit NVDA (MP3, 4:38 Minuten,2,8 MB)
zum Vergleich die Startseite und Petitionsübersicht mit JAWS (MP3, 3:28 Minuten, 2,1 MB)
Originalseite - Die Details einer Petition mit NVDA (MP3, 3:28 Minuten)
zum Vergleich die Details einer Petition mit JAWS (MP3, 3:35 Minuten, 2,2 MB)
Originalseite - Die Forums-Übersicht dieser Petition mit NVDA (MP3, 2:38 Minuten, 1,7 MB)
Originalseite - Forumsbeiträge zu dieser Petition mit NVDA (MP3, 8:31 Minuten, 5 MB)
Originalseite - Zum Vergleich: Der Artikel zur e-Petitions-Webseite hier im Perl-Blog mit NVDA (MP3, 3:59, 2,4 MB)
Das Blog ist nicht besonders auf Barrierefreiheit optimiert und es werden (derzeit) die Standard-Templates genutzt, aber dennoch ist es halbwegs verständlich.
Neues beim Bundestag
Sicherheits-Update nach acht Tagen
Ansonsten gibt es Neuigkeiten: Zum einen wurde am Morgen oder Vormittag des 12. November die verwendete Forums-Software SMF auf Version 1.1.7 aktualisiert, so dass die bekannt gewordenen Exploits nicht mehr funktionieren dürften. Das hat nach Bekanntwerden der Exploits acht Tage gedauert – nicht sehr vertrauenserweckend.
Umfrage
Zum anderen gibt es nun eine „Befragung zu den neuen Internetseiten für elektronische Petitionen“.
Oberflächlich betrachtet könnte man das gut finden - immerhin scheint es dem Bundestag wichtig zu sein, herauszufinden, wo es beim neuen Petitions-System hakt und wie die Nutzer damit zurecht kommen. Dumm nur, dass Nutzerumfragen bei fertig gestellten Produkten häufig nur als kosmetische Lösung dienen können. Eine Analyse durch Usability-Experten oder besser noch ein richtiger Usability-Test wäre sinnvoller (gewesen, denn am besten macht man so etwas bereits während der Entwicklung).
Aber immerhin, es ist ein Anfang. Wahrscheinlich ist dies keine direkte Reaktion auf meine Kritik. Ich gehe davon aus, dass die zuständigen Beamten der Bundestagsverwaltung nach der Betrachtung des Ergebnisses selbst gemerkt haben, dass die e-Petitions-Webseite einige Probleme hat und daher die Umfrage gestartet haben.
Wir sind stets bemüht, die Nutzerfreundlichkeit dieser Webseiten weiter zu verbessern. Deshalb sind wir dankbar für Hinweise auf Mängel und Verbesserungsvorschläge, die Sie uns zukommen lassen.
Kersten Naumann, Vorsitzende des Petitionsausschusses
Nun, ich denke, diese Bemühung das sollte man durchaus unterstützen ...
Unfreiwilliger Copyright-Hinweis
Wie bereits geschrieben wurde der Copyright-Hinweis für das Simple Machines Forum anfangs nicht angezeigt – ein klarer Verstoß gegen die Simple Machines Lincence. Dieser Lizenzverstoß wurde anscheinend erst dank etwas Nachhilfe beseitigt, wie mir ein Leser schrieb:
Dass der Copyright-Hinweis des SMF nun angezeigt wird, wurde vom Bundestag oder araneaNET vermutlich nicht ganz freiwillig gemacht: Ich hatte an Simple Machines LLC geschrieben und auf den fehlenden Copyright-Hinweis aufmerksam gemacht. Deren Product Manager antwortete, dass dies ein Lizenzverstoß sei und dass sie sich darum kümmern werden. Wie man sieht, haben sie das gemacht.
Dennoch finde ich erschreckend, dass ein solcher offensichtlicher Lizenzverstoß überhaupt durchgeführt wurde; unabsichtlich kann dies kaum passieren. War dies eine Anforderung der Bundestags-Verwaltung oder wurde es eigenmächtig durch deren Dienstleister araneaNET GmbH durchgeführt?
Weitere Reaktionen
Anscheinend unabhängig vom Bericht hier erschien auch bei Fatalitility ein Bericht zur Petitions-Webseite. Fazit dort:
Hinter dem ganzen stand mal wieder eine gute und meines erachtens nach auch erstrebenswerte Idee, nämlich die nach mehr Mitwirkung des “Volkes” in der Politik durch einen einfachen Zugang zu politischen Instrumenten, wie der Petition. Leider kam diese Idee aber wie so oft in diesem Staat mal wieder nicht über den Horizont der “verunglückten Umsetzung” hinaus. Was mir hier als Plattform angeobten wird ist für den Ottonormal Nichtgeek wohl einfach nur unzumutbar! Eine einfach nur grausige Usability, die keinerlei erkennbaren Workflow erkennen läßt, hineingequetscht in eine total veraltete und nicht dafür ausgelegte Software aus der Rumpelkammer des Internets. Schade!
Ja, sehr schade!
Danke, ich wusste bisher nicht, wie schlimm sich so ein Screenreader anhört. Grausam, was die Leute da abgeliefert haben.
Müssen denn nicht alle Internet-Angebote von Behörden barrierefrei sein?